Spurenelemente und Artefakte bei Stickstoff-Hintergrundmessungen

Carbon2Chem® Forschungsergebnisse in Journal of Mass Spectrometry veröffentlicht.

Die zuverlässige Online-Messung von Spuren in Luft oder Prozessgasen ist für Umwelt- und Atmosphärenstudien, aber auch für industrielle Anwendungen von größter Bedeutung. Fundierte Daten werden benötigt und in Simulationen eingesetzt und für eine Optimierung der Aufreinigung genutzt zu werden. Die Aufklärung aller möglichen Artefakte ist dabei von entscheidender Bedeutung, um Fehlinterpretationen bei der Zuordnung von Verbindungen und Fehleinschätzungen bei der quantitativen Analyse zu vermeiden.

Einem Team von Wissenschaftler*innen des MPI CEC ist es im Rahmen des Forschungsprojektes Carbon2Chem® gelungen einzelne Spuren in der Umgebungsluft zu unterscheiden und als Artefakte, Gasverunreinigungen oder andere Verbindungen zu identifizieren, wobei isomerische Substanzen nicht differenziert werden können.

Bislang fehlten Informationen über den Ursprung vieler Ionen. In einer kürzlich im Journal of Mass Spectrometry veröffentlichten Studie wurde eine umfassende Klassifizierung aller Ionen in den PTR-Massenspektren unter trockenen und feuchten Bedingungen vorgenommen. Dabei kam heraus, dass einige Ionen positive Feuchtigkeitsabhängigkeiten aufweisen, während andere negative Feuchtigkeitsabhängigkeiten zeigen. 

 

Detaillierte Informationen

Bei katalytischen Reaktionen im Labor oder in der Industrie spielen Analysemethoden eine herausragende Rolle bei der Charakterisierung und Überwachung von Hauptverbindungen oder von Spuren wie Nebenprodukten oder Verunreinigungen, die zur Bestimmung der Prozessstabilität und Produktqualität benötigt werden.

Aufgrund der zunehmenden Notwendigkeit, Prozesse nachhaltiger zu gestalten und CO2-Emissionen zu minimieren, um auch die strengeren Umweltvorschriften der Europäischen Union zu erfüllen, wird die Nutzung von bisher "verschwendeten" Kohlenstoffquellen in Kombination mit aus erneuerbaren Quellen erzeugtem Wasserstoff zu einer vielversprechenden Alternative, um Emissionen zu reduzieren. Dies bringt aber gleichzeitig neue Herausforderungen mit sich.

Bei der Verwendung unkonventioneller Quellen als Ausgangsmaterial, wie z. B. Hüttengase (Koksofengas, Gichtgas und Konvertergas) für die Herstellung von Chemikalien wie beispielsweise Methanol, wie es im Projekt Carbon2Chem® der Fall ist, besteht eine der größten Herausforderungen darin, Spurenverbindungen im ppb-Bereich (Teile pro Milliarde) vor und nach einem Reinigungsprozess zu identifizieren und zu überwachen, da sie durch Vergiftung nachgeschalteter Katalysatoren deaktivieren werden könnten, was zu kurzen Katalysatorlebenszeiten und hohen Betriebskosten führt.

Aus diesem Grund ist eine hochempfindliche Analysemethode erforderlich, um potenzielle Katalysatorgifte in Echtzeit (online) zu charakterisieren und gleichzeitig ihre eventuellen Konzentrationsschwankungen zu überwachen.

Im Carbon2Chem®-Technikum wurde PTR-QiTOF-MS* (Proton Transfer Reaction Quadrupole Interface Time-Of-Flight Mass Spectrometer) als Hauptcharakterisierungsmethode für die Online-Überwachung von Spurenverbindungen im ppb- und ppt-Konzentrationsbereich in den rohen und gereinigten metallurgischen Gasen gewählt. Daher war es notwendig, zunächst die beobachteten Peaks in den Hintergrund-Massenspektren des Verdünnungsgases Stickstoff und ihre dynamische Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit zu verstehen, bevor die Identifizierung echter Spuren in den metallurgischen Gasen und die Schätzung ihrer Konzentrationen erfolgen konnte.

In einem kürzlich im Journal of Mass Spectrometry veröffentlichten Artikel, der im Rahmen des von Prof. Robert Schlögl, Direktor am MPI CEC, initiierten Projekts Carbon2Chem® erschienen ist, berichtet unser PostDoc Dr. Jorge Iván Salazar Gómez in einer detaillierten Studie die Aufklärung aller Ionen im Massenbereich m/z 0-800 im Verdünnungsgas Stickstoff und deren Unterscheidung als instrumentelles Artefakt, Memory-Effekt oder echte Gasverunreinigung (VOC) mit ihren jeweiligen Feuchteabhängigkeiten gemessen im HüGaprop-Container, was die Unterscheidung von potentiellen Katalysatorgiften ermöglicht und somit Fehlinterpretationen und Fehleinschätzungen bei der Messung echter Hüttengase vermeidet.

Der erste Schritt wurde bereits getan, bei dem die wichtigsten instrumentellen Artefakte (parasitäre Ionen), die von der Ionenquelle herrühren, entdeckt wurden (Publikation von Nov 2019), und bei der jetzigen Arbeit (Publikation Juli 2021) wurden mehrere neue Ionen entdeckt, wie z. B. die zyklische Schwefelspezies [Sx]H+.

Während herkömmliche Analysetechniken wie die Gaschromatographie zeitaufwändig sind und nicht über die ausreichende Empfindlichkeit verfügen, um Spuren im niedrigen ppb-Bereich zu erkennen, ermöglicht PTR-TOF-MS eine Echtzeitbestimmung selbst im ppt-Bereich, ohne dass Vorseparationsprozesse oder eine lange Probenvorbereitung erforderlich sind. Die vorliegende Studie bildete die Grundlage für den Aufbau einer Massenspektraldatenbank und zeigte, dass einige Ionen unter feuchten Bedingungen messbar sind, aber nicht gemessen werden können, wenn die Gasmatrix trocken ist. Dies wird die Charakterisierung der Spuren in den metallurgischen Gasen im Carbon2Chem®-Projekt erleichtern, insbesondere nach einem Reinigungsprozess, der je nach Betriebsbedingungen ein feuchtes oder trockenes gereinigtes Gas erzeugen kann. Die gewonnenen Erkenntnisse werden die Qualitätssicherung der vorgenommenen Abschätzungen erleichtern, so dass das geplante Upscaling auf der Grundlage gesicherter Daten realisiert werden kann.

"Das Hauptziel dieser Studie war es, die Dynamik des instrumentellen Hintergrunds zu verstehen, bevor wir die echten Hüttengase messen", erklärt Dr. Jorge I. Salazar Gómez, der das so genannte Gasanalyseteam innerhalb der Gruppe Katalysatortechnologie unter der Leitung von Dr. Holger Ruland leitet.

Diese Studie wurde im Rahmen des Projekts Carbon2Chem® finanziert, das die Nutzung von Hüttengasen in Kombination mit Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen anstrebt, um Chemikalien wie Methanol oder Ammoniak zu erzeugen und so die CO2-Emissionen der Stahlindustrie zu verringern, die Effizienz zu verbessern und diese Industrie wettbewerbsfähiger zu machen. Die Autoren erhoffen sich ein zuverlässiges Analyseinstrument zur Charakterisierung der verschiedenen Prozesse, die im Rahmen des Carbon2Chem®-Projekts durchgeführt werden.

 

Kontaktperson: Dr. Jorge Iván Salazar Gómez

Originalpublikation: Salazar Gómez, J. I., Sojka, M., Klucken, C., Schlögl, R., Ruland, H. (2021). Determination of trace compounds and artifacts in nitrogen background measurements by proton transfer reaction time-of-flight mass spectrometry under dry and humid conditions. Journal of Mass Spectrometry. https://doi.org/10.1002/jms.4777

 

* PTR-TOF-MS steht für Proton-transfer-reaction mass spectrometry und ist ein Verfahren, um flüchtige organische Verbindungen und kleinste Spuren in der Umgebungsluft online zu überwachen.