Diplom (Chemie) | Ruhr-Universität Bochum (1989) |
Ph.D., wiss. MA | Ruhr-Universität Bochum (1990-1994) |
Dr. rer. nat. | Ruhr-Universität Bochum (1994) |
Gruppenleiter | MPI für Bioanorganische Chemie; heute: MPI CEC (since 1995) |
Full publications list | ORCID | ResearcherID
Molekulare Modelle, elektronische Struktur und Funktion
Die chemische Aktivierung kleiner Moleküle wie CO2, CH4 und N2 ist ein grundlegendes Forschungsthema in der Energieforschung. Bereits in naher Zukunft werden riesige Mengen dieser einfach verfügbaren Ausgangsstoffe mit Hilfe erneuerbarer Energien in Produkte für die chemische- und die Agrarindustrie umgewandelt werden. Metallhaltige Katalysatoren werden benötigt um diese Umsetzungen kinetisch und energetisch effizient und selektiv durchführen zu können. Wir sind der Meinung, dass ein detailliertes Verständnis der mechanistischen Abläufe und der elektronischen Struktur solcher katalytischer Systeme die Entwicklung neuer, besserer Katalysatoren unterstützt. Unser Ansatz besteht darin, spektroskopische Methoden (EPR- MCD, Mössbauer, Resonanz Raman, Röntgenspektroskopie) mit quantenchemischen Rechnungen zu kombinieren, um die elektronische und chemische Struktur von katalytisch aktiven Zentren zu ermitteln. Die Kombination von Spektroskopie und Theorie erlaubt die Interpretation sogar von sehr komplexen spektroskopischen Daten und ermöglicht es damit, fast immer die gewünschte chemische Information zu erhalten.
Die Forschung in meiner Gruppe konzentriert sich auf die Synthese kleiner molekularer Modellkomplexe für die spektroskopische Untersuchung. Systematische Variationen von strukturellen oder elektronischen Merkmalen in einer Serie von Verbindungen mit sonst gleichem Grundgerüst erlauben es, die spektrale Antwort auf diese Änderungen zu untersuchen. Unsere Verbindungen werden typischerweise mittels Standardmethoden analysiert (Elementaranalyse, FTIR, UV-vis, NMR, XRD) bevor sie, wie oben beschrieben, weiter spektroskopisch untersucht werden. Diese Modellverbindungen, deren Struktur und Zusammensetzung sehr genau bekannt ist, erlauben es, verlässliche und hochaufgelöste spektroskopische Daten zu sammeln die es aussderdem ermöglichen, neu entwickelte quantenchemische Verfahren zu überprüfen und zu kalibrieren. Im Folgenden werden zwei Beispiele derzeitiger Forschungsprojekte angesprochen.
Modellierung des zentralen Kohlenstoffatoms in der Nitrogenase
Nitrogenase ist ein bakteielles Enzym das die Umwandlung von Luftstickstoff zu Ammoniak katalysiert, welches wiederum die primäre Quelle für die Biosynthese von überlebenswichtigen stickstoffhaltigen Verbindungen wie Aminosäuren und Nucleobasen ist. Die chemische Aktivierung von Stickstoff stellt eine enorme Herausforderung dar, da das Stickstoffmolekül mit seiner N-N-Dreifachbindung das reaktionsträgste zweiatomige Molekül überhaupt ist. Wir haben mittlerweile eine Menge über den Aufbau und die Chemie der Nitrogenase gelernt, aber die genaue elektronische Struktur, der katalytische Mechanismus, die Funktion des zentralen Kohlenstoffatoms1 oder des Molydänatoms im FeMoco Faktor liegt weiterhin im Dunkeln. Einer der metallhaltigen Kofaktoren der Nitrogenase, FeMoco, wurde als katalytisch aktives Zentrum des Enzyms identifiziert an dem der Stickstoff gebunden und zu Ammoniak umgesetzt wird. Er besteht im Wesentlichen aus sieben Eisen-, einem Molybdänzentrum, neun Sulfidionen und einem zentralen Carbidion (s. Struktur I in Abb. 1).
Nachdem wir bisher an Modellkomplexen gearbeitet haben die den Oxidationszustand des Molybdäns im Grundzustand des FeMoco beleuchten,2 haben wir ein neues Projekt gestartet, in dem wir versuchen, Eisencluster mit verbrückendem Kohlenstoff zu synthetisieren um das zentrale Carbid im FeMoco zu modellieren. Es wurden bisher nur sehr wenige Beispiele solcher Verbindungen in der Literatur berichtet (s. Abb.1, z.B. II-IV). Verfahren, die die Einführung eines C-basierten Liganden erlauben, der an mehr als ein Eisenzentrum gebunden ist (µ2-6-C), sind rar, was den Mangel an geeigneten Modellverbindung erklärt.
Wir haben Ylide als interessante neue Verbindungsklasse indentifiziert um C-verbrückte Komplexe herzustellen und untersucht, wie Ylide mit Fe(II)diamido Verbindungen, wie etwa [Fe(N(SiMe3)2)2], reagieren. Die Reaktionsprodukte sind zunächst dreifachkoordinierte, einkernige, hochreaktive Fe(II)-Komplexe des Typs A, oder allgemeiner formuliert E (s. Abb. 1 unten). Weitere Experimente zeigen, dass E bei erhöhten Temperaturen einer Protolysereaktion unterliegen kann, da sich ein an dem Ylid-Kohlenstoff gebundenes acides Proton in direkter Nachbarschaft zu einer starken Base befindet und damit, unter Abspaltung von HL, der Aufbau zweikerniger doppelt Ylid-verbrückter Komplexe vom Typ F möglich ist.
Die Komplexe 1 und 2 repräsentieren die ersten beiden Beispiele zweikerniger Ylid-verbrückter Fe2C2 “diamond core“ Verbindungen in der Literatur3a (s. Abb. 2). Die Fe-C-Fe Winkel sind mit ca. 78.5° sehr eng und der Fe…Fe Abstand fällt mit ~2.58 Å sehr kurz aus. Mössbauer- und Röntgenabsorptionsspektren beweisen im Zusammenhang mit temperaturabhängigen Suszeptibilitätsmessungen, dass es sich um stark antiferromagnetisch gekoppelte high-spin Fe(II) Dimere handelt. Dichtefunktionalrechnungen (DFT) reproduzieren diese experimentellen Daten sehr gut und schließen eine signifikante Metall-Metall Bindung aus.
Wir setzen dieses Projekt mit schwefelhaltigen Liganden ähnlichen Typs fort, da sie die Schwefel-Kohlenstoff Umgebung der Eisenzentren im FeMoco besser modellieren und haben bereits erfolgreich zweikernige Eisenkomplexe mit einer verzerrt tetraedrischen C2S2 Umgebung und trigonal bipyramidalen Koordinationsschale. Eine Publikation mit einer vollständigen Charakterisierung dieser Verbindungen incl. einer DFT-Studie sind in Vorbereitung.3b
Röntgenstrukturanalyse
In enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für Strukturanalyse des MPI für Kohlenforschung bietet meine Gruppe den Service für die Strukturaufklärung von Verbindungen aus unserem Institut an. Die Forschung an neuen Übergangsmetallverbindungen für die Katalyse, oder für spektroskopische Untersuchen, ist auf die Strukturbestimmung mittels Röntgenbeugung an Einkristallen angewiesen, da Selbstorganisationseffekte die Koordinationschemie oft dominieren und die gezielte Synthese von Zielverbindungen oft nur eingeschränkt möglich ist. Die Röntgenstrukturanalyse liefert hochpräzise Informationen über die dreidimensionale Anordnung der Atome und produziert genaue Bindungslängen und Bindungswinkel, die von enormer Bedeutung für das Verständnis der chemischen Eigenschaften einer Verbindung sind. Da es aber unser Ziel ist, experimentell bestimmbare Eigenschaften mit strukturellen Merkmalen zu korrelieren, ist die Röntgenstrukturanalyse von überragendem Interesse in unserem Forschungszweig.
Als ein Beispiel dafür, zeigt Abbildung 3 zwei Kristallstrukturen aus einer neueren Veröffentlichung4 der Abteilung für Molekulare Katalyse (Prof. Leitner), in der der Katalysator 1 bei der Reaktion mit Pinacolboran in einer KOtBu/THF Lösung ein Intermediat 2 bildet, das die reduktive Hydroborierung von aliphatischen und aromatischen Carbonsäuren und sogar CO2 höchst effizient katalysiert.
[1] a) Lancaster, K. M.; Roemelt, M.; Ettenhuber, P.; Hu, Y.; Ribbe, M. W.; Neese, F.; Bergmann, U.; DeBeer, S., X-ray Emission Spectroscopy Evidences a Central Carbon in the Nitrogenase Iron-Molybdenum Cofactor. Science 2011,334 (6058), 974.
b) Spatzal, T.; Aksoyoglu, M.; Zhang, L.; Andrade, S. L. A.; Schleicher, E.; Weber, S.; Rees, D. C.; Einsle, O., Evidence for Interstitial Carbon in Nitrogenase FeMo Cofactor. Science 2011,334 (6058), 940-940.
[2] a) R. Bjornsson, F.A. Lima, T. Weyhermüller, P. Glatzel, T. Spatzal, O. Einsle, E. Bill, F. Neese, S. DeBeer: Identification of a spin-coupled Mo(III) in the Nitrogenase Iron-Molybdenum Cofactor. Chem. Sci.2014, 5, 3096-3103.
b) R. Bjornsson, M.U. Delgado-Jaime, F.A. Lima, D. Sippel, J. Schlesier, T. Weyhermüller, O. Einsle, F. Neese, S. DeBeer: Mo L-Edge Spectra of MoFe Nitrogenase. Z. Anorg. Allg. Chem.2015, 65-71
[3] a) S. Yogendra, T. Weyhermüller, A.W. Hahn, S. DeBeer: From Ylides to Doubly Yldiide-Bridged Iron(II) High Spin Dimers via Self-Protolysis. Inorg. Chem. 2019 ,58, 9358-9367
b) manuscript in preparation
[4] A. Kaithal, S. Sen, C. Erken, T. Weyhermüller, M. Hölscher, C. Werlé, W. Leitner: Manganese-Catalysed Hydroboration of Carboxylic Acids, Carbonates, and Carbon Dioxide. Nature Communications 2018, 9, Art. 4521; DOI: 10.1038/s41467-018-06831-9